Sonntag, 9. Dezember 2012

81. B

Am zweiten Advent 2012 hatte die ästhetische Avantgarde Berlins ein besonders heißes Thema: Den neuen Mittelstreifen am Tauentzien. Bei wichtigen Kolumnisten der Stadt war er glatt durchgefallen. 2 Millionen versägt, so hieß es, giftige Eiben und nicht einmal Bänke. Die EinSatzLeitung machte sich also auf den Weg und veranstaltete bei heftigem Schneetreiben eine Begehung. Die Au's und O's und Aha's, die Warum-nich-ja-aber's und Im-Grunde-ziemlich-frei-und-offen-und-an-der-Eibe-in-unserem-Garten-haben-wir-uns-schließlich-auch-nicht-vergiftet's der EinSatzkräfte werden hier aus Zeitgründen erspart. Aber wenigstens das Abstimmungsergebnis soll bekannt gegeben werden: WE LIKE IT!

Sonntag, 25. November 2012

81.

Ich bin die Summe meines Trainings, sagte Karomütze, und schien noch stolz darauf zu sein.

Samstag, 24. November 2012

80.

Was ist eigentlich ein Engelmacher, fragte Nachwuchs Ö, als er wieder einmal bei seiner Mutter weilte, und war nicht schlecht erstaunt über ihre Antwort: Früher nannte man jene Kurpfuscher Engelmacher, die Frauen verbotene Kinder abtrieben, heute aber findet man die Engelmacher unter Medizinern, Gesinnungserziehern und Coaches sowie unter den Exorzisten der Internationalen Religiösen Reaktion, und immer sind sie Folterknechte, unter deren Händen erwachsenen Menschen der freie Wille ausgetrieben wird, so dass sie entweder zu stumpfsinnigen Dientgeräten oder zu engelsgleichen Reinheitsmaschinen werden, die aus voller Überzeugung andere ebenfalls zu trieblosen und willenlosen Werkzeugen großer Sachen und hingebungsvollen Liebediensten zurichten und abrichten, hast du nicht angenehmere Themen?

Montag, 19. November 2012

79.

Wer die Macht hat, andere zu disziplinieren, beweist damit, dass er auch die Macht hätte, sie zu fördern; wenn das die Disziplinierten herausfinden, wissen sie, was sie von ihren Disziplinierern zu halten haben: genau nichts, sagte der naseweise Sinologe, und freute sich seines Exils.

Dienstag, 6. November 2012

78.

Wenn wir den Umweg über die Brachvögel mal weglassen, können wir feststellen, dass Gott sich nicht gut genug kennt - es ist also unsere Aufgabe, sie miteinander bekannt zu machen, sagte der kleine Brachvogel, und flötete sich grün, es machte im Winter mehr her.

Mittwoch, 10. Oktober 2012

77.

Dauernd höre ich von "dem Menschen" reden, sagte Mo, meinen die einen bestimmten, und wenn ja, warum nennen sie ihn nicht bei seinem Namen?

Montag, 8. Oktober 2012

76.

Vertrauen verlangen eigentlich nur Leute, die es nicht verdienen; andere brauchen es nicht zu verlangen, sagte die allgemeinste Verteidigung, als ihr ein Fall vorgelegt wurde, in dem einer Person zur Last gelegt worden war, sie habe kein Vertrauen.

Samstag, 6. Oktober 2012

75.

Wenn der Dieb erwischt wird, ist der Beklaute schuld, sagte der naseweise Sinologe, alte chinesische Weisheit.

Freitag, 28. September 2012

74.

Das kollektive Unbewusste, nöhlte der klitzekleine Forschungsminister, ist doch nur das Gegengespenst zur Volonté générale; damit hielt er diese Frage für erledigt.

Donnerstag, 27. September 2012

73.

Menschen mit sensiblen Gewissen verdanken diese unpraktische Einrichtung ihrer Seelen oft genug gewissenlosen Geistlichen, sagte der kleine Brachvogel, und der kleine Pestvogel wunderte sich.

Sonntag, 23. September 2012

72.

Ein wunderbarer Tag zum Schreiben, die Formulierungsideen und Werkkonzepte sprudeln nur so - aber andere Arbeiten müssen getan werden, die Ideen sollen den Spekulanten nicht in die Hände fallen, während die Person, in deren Kopf sie sich also ohne Widerhall und Folge ergießen müssen, der Verelendung entgegen schreitet, machen wir uns also wieder ans räumen, verwalten, rekreieren, abarbeiten von alten Sachen, um dann wieder und wieder gegen immer höhere Barrieren an zu rennen, mir wird ganz griechisch zumute, sagte die Kreativleitung beim Sonntagsbrunch zur Chefin, und sah dabei etwas zu grün aus für die Jahreszeit.

Montag, 20. August 2012

71.

Das Beste an der Sache ist, dass die mit den großen Programmen immer die ältesten Daten für die neuesten und die neuesten für die ältesten halten, es fehlt ihnen an einem Kriterium, das ist eindeutig, sagte der klitzekleine Forschungsminister, und musste nicht einmal weinen.

Dienstag, 31. Juli 2012

69.

Und wenn Sie als Ex-Experten wieder einmal in Versuchung sind, sagte Dame Oe, dann bedenken Sie bitte: Ich keife gern (wozu sie natürlich zuckrig zu lächeln wusste).

Montag, 16. Juli 2012

68.

Wie würden Sie Kultur definieren, fragte Mr. Precuneus den klitzekleinen Forschungsminister, welcher, umständlich sich am Kopfe kraulend, im Munde aber unverzögert antwortete: "Kultur ist die willkürliche Setzung einer einfachen Behinderung des natürlichen Lebens und die Entwicklung eines hochkomplexen Apparates zu Überwindung und Umgehung des Hindernisses."

Mittwoch, 27. Juni 2012

67.

Der Naturalist stellte bekümmert fest, dass er doch eine Prämisse gesetzt hatte, die seine ganze Theorie zerstörte: Das Implantat wollte sich nicht als genuin outen, und der Wirtskörper wollte es nicht annehmen, und es war mit keinem Mittel den jeweiligen Störfaktoren anzulasten; so geht kritische Theorie, sagte sein Assistent, und er wandte sich ab.

Dienstag, 12. Juni 2012

66.

Wieso haben Sie hier eine Seite mit Schweißgeräten aufgeschlagen, schrie der Buchhalter, und die Kreativleitung sagte, um das Gequassel vom Zusammenschweißen zu visualisieren, was haben Sie denn gedacht?

Sonntag, 10. Juni 2012

65.

Danach kamen dann die unvermeidlichen roten Ferraris in Feuerwehrverkleidung und boten sich wechselweise als Felsen, Retter, Helfer, Unterstützer und in jedem Fall die einzig positive Kraft an, man hatte natürlich auf sie gewartet, etwa nicht?

Samstag, 2. Juni 2012

64.

Wir haben uns bei unserem Einsatz in Afghanistan bereichert, sagte Mr. Precuneus beim Einbürgerungstest (denn er fand es wichtig, sich ganz in das Wir seiner neuen Heimat einzudenken), bei uns gibts jetzt auch von Klans festgesetzte Zwangsehen, im Falle der Zerschlagung von Weibmaterial wird die Beute unter Klanmitgliedern und geschädigten Nachbesitzern des Materials aufgeteilt, und wenn noch was übrig ist, wirds zurechtgewiesen: imitari quam invidere boni malebant (denn er hatte sich auch etwas humanistische Bildung erworben).

Mittwoch, 23. Mai 2012

63.

Endlich wird die Schweigepflicht der Ärzte gegenüber den Patienten gelockert: stecken dahinter womöglich die Piraten?

Samstag, 19. Mai 2012

62.

Es war wieder Fußball angekündigt, auch Demonstrationen sollten stattfinden, und ein bestimmtes Problem, das vielen fast gelöst schien, sollte endlich ganz gelöst werden: die Straßen fieberten im sanften Säuseln der Trillerpfeifen, sogar in den immer so ruhigen Städten Zentraleuropas.

Samstag, 5. Mai 2012

61.

In der Presse schrieben sie dies und das, aber ein anonymer Kommentator brachte es auf den Punkt: Gerade wenn man ALLES perfekt durchgeplant hat, gerade in der Perfektion kommt es vor allem auf das richtige Maß an.

Sonntag, 29. April 2012

60.

Nachdem der Tagebaumeister einsehen musste, dass in der Mine nichts mehr zu holen war, wurde er, wenngleich nicht unmaskiert, vorstellig in der EinSatzLeitung und fragte, was er denn nun tun solle, und die Leitung Oe sagte, es kann doch nicht so schwierig sein, ein paar Projekte zur Begleitung der Abwicklung gescheiterter Kampagnen aufzuziehen, oder?

Mittwoch, 18. April 2012

59.

Was sagen Sie dazu, fragte Karomütze, indem er das Buch http://www.berlinerliteraturkritik.de/detailseite/artikel/ein-fataler-monat.html auf den Tisch der Chefin knallte, und die Chefin sagte, ich weiß nicht recht, sieht erstmal schön aus, nein?

Dienstag, 10. April 2012

58.

Der Biologe in seiner rührenden Naivität war davon überzeugt, dass das Objekt zwischen den Glasscheiben seines Sichtgeräts sich genau so bewegte, wie es sich auch ohne die Glasscheibe und das Mikroskop bewegen würde.

Sonntag, 8. April 2012

57.

Hast du dich schon mal "integriert" gefühlt, fragte der kleine Brachvogel, erinner mich nicht daran, sagte Mo.

Freitag, 6. April 2012

56.

Haben Sie zu Ostern etwas zu sagen, wurde die Chefin von einem ziemlich bedrängt bedrängend wirkenden Anrufer (welchen der Demokratiebeauftragte an sie verwiesen hatte, weil er sich durch ihn nicht abwimmeln ließ) gefragt, und sie antwortete, ja, sicher, besonders Ihnen an Ihr eifervolles Herz gelegt: man kann die Freiheit nicht durch ihr Gegenteil verteidigen, und wer die Herzen prüfen will, wird sie verlieren, in diesem Sinne ein frohes Fest den Feiernden.

Sonntag, 1. April 2012

55.

Es ist nötig geworden, wieder einmal zu sagen, dass die Idee, von einem anderen Menschen Vertrauen zu fordern und ihn zum Problem zu erklären, weil er kein Vertrauen habe, die totale Bankrotterklärung eines jeden Menschen ist, der ihr anheimfällt - wenn ich, um ein ganz einfaches Beispiel zu nennen, glaube, meinen Kindern vorhalten zu sollen, dass sie mir nicht vertrauen, habe ich soeben bewiesen, dass ich ihr Vertrauen nicht verdiene.

Freitag, 16. März 2012

54.B


Der Impuls, einem Unrecht, gar einer mörderischen Untat zu widerstehen, ist stets Ausdruck der höchsten Bereitschaft, die Achtung vor der Allgemeinheit der Menschen und darum den Schutz eines JEDEN Individuums zur eigenen Sache zu machen. Er ist also, wo er in einem Menschen auftaucht, Ausdruck des höchsten Bewußtseins der Gleichheit der Menschen und der innigsten Verbundenheit eines Menschen mit der Gesamtheit seiner Mitmenschen. Und doch wird er zu einer Absonderlichkeit und einem individuellen oder dem partikularen Spleen einer kleinen Gruppe, wo immer sich eine große Gruppe von Menschen gegen eine andere oder gegen einen ausgestoßenen Einzelnen zusammentut. Wer einer solchen Gruppe widersteht, deren Zusammenschluß auf einer wie auch immer sublimierten Form des Menschenopfers beruht, riskiert damit, selbst das nächste Opfer zu werden. Und dennoch ist er in einer solchen Konfiguration der Einzige, der die Allgemeinheit der Menschen gerade vollzieht, indem er das Risiko seiner Aussonderung nicht scheut, und er scheint sogar der Einzige zu sein, der die Realitätstauglichkeit der Idee der Freiheit verbürgt. Dies gilt vollkommen unabhängig von allen mehr oder weniger vernünftigen Begründungen der Zusammenschlüsse starker gegen schwache, vieler gegen wenige, aller gegen einen Menschen, und es gilt leider auch unabhängig davon, ob der zum Opfer ausersehene Mensch oder die Menschengruppe selbst ein Interesse an der Allgemeinheit oder Freiheit hat oder nicht, denn wer in die Gewalt von anderen fällt, wird ja dadurch der eigenen Handlungsmöglichkeiten beraubt. Der einzige Mensch also, der in solchen Konstellationen  die allgemeinste Bestimmung der Menschen zur Freiheit lebendig erscheinen läßt, ist genau der Mensch, der, obwohl selbst bei Passivität oder Teilnahme an der Jagd nicht in unmittelbarer Gefahr (und insofern aus Freiheit und um der Freiheit willen), sich von den anderen, häufig seinen Nächsten, absondert, um den gefährdeten Anderen und die Selbstachtung seiner eigenen Gruppe zu retten. Auf dieser Erfahrung beruht die mögliche und auch die schreckliche Wahrheit eines jeden Erwählungsgedankens.

Donnerstag, 8. März 2012

54.

Eine Lehre, die "alle Hebel in Bewegung setzt", um auch noch das "Wunschwesen" der Opfer ihrer missionarischen Anschläge in ihren Dienst zu zwingen, hat ihre Kompetenzen weit genug überschritten, um ihr Scheitern im Einzelfall und ihren Untergang insgesamt zu verdienen und dann gern auch selbst zu verantworten - das gilt selbst dann, wenn es ihr wegen simpler irdischer Machtbefugnis in der Realzeit erst einmal lange gelingt, Opfer nach Opfer zu zerstören.

Samstag, 3. März 2012

53.B

Die zivilisatorische Kompetenz 'der Anderen' reicht so weit wie der Handlungsspielraum, den sie als Selbstbestimmte haben. Menschen, die sich auch dann zivilisiert benehmen, wenn ihnen das Recht auf Selbstbestimmung verweigert wird, sind bestenfalls Märtyrer für ihre eigene Selbstachtung. Was, wenn sie sich entschließen, das Leiden künftig zu verweigern? Viele Probleme schlechter Politik im Nahen Osten, viele Probleme zwischen den Geschlechtern und viele andere Probleme enstehen an diesem zentralen Punkt. Für die Starken und Mächtigen in der Welt bedeutet dies: Wenn ihr zivilisierte Nachbarn wollte, versucht nicht, weiser als diese zu sein, indem ihr zum Beispiel meint, 'ihre wahren Motive zu kennen', sondern nehmt jedes Angebot zu zivilisiertem Umgang ernst. 'Sie müssen ihre Reife erst beweisen` ist jedoch eine Satz, der gut geeignet ist, eine Eskalation in Gang zu setzen, die am Ende nicht mehr kontrollierbar sein wird.

Samstag, 25. Februar 2012

53.

Die Weiblichkeitserziehung erreichte neue Dimensionen, als die Weight Watchers für die Bikinifigur des Sommers mit einem Plakat warben, das einen sehr mageren kleinen Mann neben einer gewaltigen großen dicken Frau zeigte, darunter die Bibel zitierend: "Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen!"

Samstag, 28. Januar 2012

52.

Tun Sie mir heute, zum 52., einen Gefallen und befreien Sie Julia Timoschenke: SOFORT!

Freitag, 27. Januar 2012

51.

"Als ich jünger war, musste man, bevor ich das Gespräch abbrach, mich sehr oft mit Gesprächsabbrüchen und Beschimpfungen terrorisieren, und bis ich die Türen endgültig verschloss, war ich hunderte Male gründlich überrannt worden - heute bin ich gründlich genug durchgequält, um beim ersten Anzeichen einer Wiederholung sofort alle Grenzen zu verschließen und auf wirksame Gegenmittel zu sinnen; ich weiß nicht, ob das ein Fortschritt ist."

Donnerstag, 26. Januar 2012

Sonntag, 22. Januar 2012

48.

Heute habe ich sie endlich wieder gefunden, meine Bezugsgruppe, trällerte der Oberassistent.

Dienstag, 17. Januar 2012

47.

Heute möchte ich sie gern essen, sagte der ehemalige Chef, was essen, fragte seine Gattin, die Kernseife, sagte der Chef, die Kernseife möchte ich heute lieber mal essen, und die Gattin seufzte, es würde zuende gehen, hatte der Arzt gesagt, aber doch nicht so, dachte sie.

Dienstag, 10. Januar 2012

46.

In der Vernehmung gestand der - übrigens recht zivilisiert wirkende - Verdächtige mit aufreizender Bereitwilligkeit, er habe seit seiner ersten nächtlichen Pollution einen unwiderstehlichen Drang verspürt, schwangere Frauen noch einmal mit seinem eigenen Samen nachzuschwängern.

Montag, 9. Januar 2012

45.

Autopoietische Systeme: Sie versuchen immer wieder, nachzuschauen, ob die Verunreinigung noch in der Wunde sei - jedesmal verunreinigen sie dabei die Wunde aufs Neue.